Mittwoch, 11. Januar 2012

medienenmaleins. Journalistische Doppelmoral.

Zur Wulff-Debatte wurde schon mehr als genug gesagt. Jeder, der eine Meinung dazu hat (auch diejenigen, deren einzige politische Leistung darin besteht, zu wissen, wer Wulff ist), hat sich dazu geäußert und ein klarer Trend hat sich bei der Berichterstattung gezeigt.

Quelle: http://www.n24.de/media/_fotos/bildergalerien/wulff/wu7.jpg

Wulff, der in die beschissene Lage gekommen ist, bei dem, was auch viele andere tun, erwischt worden zu sein, hat gerade nicht viel zu lachen bei den Hetzkampagnen des Springer-Hauses. Ich möchte mich nicht weiter zu der ganzen "Affaire" äussern, denn diese ist nichts weiter als Brot-und Spiele für den Großteil der Lemmingbevölkerung, die gerne einen auf Hobby-Politologen machen, aber die ganze Sache in zwei Monaten, wenn der arme Mann wohl sein Amt räumen muss, wieder vergessen haben.

Vielmehr geht es mir um die journalistische Doppelmoral bei dieser Sache.

Vergünstigungen:
Die Annahme von Vorteilen jeder Art, die geeignet sein könnten, die Entscheidungsfreiheit von Verlag und Redaktion zu beeinträchtigen, sind mit dem Ansehen, der Unabhängigkeit und der Aufgabe der Presse unvereinbar. Wer sich für die Verbreitung oder Unterdrückung von Nachrichten bestechen lässt, handelt unehrenhaft und berufswidrig.

Das besagt Ziffer 15 des Pressekodex.
Der Pressekodex, eine Erfindung des Presserats (auch gerne "Zahnloser Tiger" genannt), ist keine juristische Regelung,Verstöße dagegen führen auch zu keinen rechtlichen Sanktionen mit sich und zusätzlich ist die ganze Sache auch noch eine freiwillige Angelegenheit.

Natürlich gehört es für jeden Verleger, jedes Presseerzeugnis und jeden Journalisten zum guten Ton diese kleine Regelsammlung zu unterschreiben, aber für einigermaßen normale Menschen, die alle Chromosomen an der richtigen Stelle beisammen haben, gehört es zur Sparte "Gesunder Menschenverstand".

Denn wie sollte eine freie, unabhängige Presse funktionieren, wenn Journalisten bestechlich wären? Was wäre, wenn große Konzerne Journalisten mit Vergünstigungen überhäufen würden - wäre die Berichterstattung denn nicht beeinflusst? Doch, das wäre sie dann. Das IST sie.
Denn gerade im Lokalen scheuen sich Journalisten nicht, besonders bei den Behörden kleine Annehmlichkeiten anzunehmen. 
So fahren Motor- und Technikjournalisten kostenlose Autos; so bekommen Reisejournalisten Reisen für Umme (natürlich müssen sie nicht mal drüber berichten) und Wirtschaftsjournalisten Anlagehinweise.  
Vgl.: Wolff, Volker(2006): ABC des Zeitungs- und Nachrichtenjournalismus. Konstanz: UVKVerlagsgesellschaft.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass Journalisten regelrecht mit neuesten Gadgets eines Unternehmens zubombardiert werden und wenn über eine neue Attraktion in einem Freizeitpark berichtet werden soll, der Journalist gleich mit der ganzen Familie hingehen kann.

Natürlich sparen Redaktionen "dank" PR-Agenturen, Verbänden und Parteien Geld, wenn es um Recherche geht, aber dass noch nichtmal ein Mindestmaß an Reflexion und Sorgfaltspflicht erfüllt wird und Pressemeldungen einfach so abgedruckt werden UND noch Vergünstigungen angenommen werden, ist sehr bedenklich.


Seltsamerweise gibt es keine einzige Rüge (die einzige "Sanktion" des Presserats) gegen Verstöße der Ziffer 15... liegt vielleicht daran, dass der Presserat aus Pressevertreten besteht und keiner dieser feinen Damen und Herren auf ihre Presserabatte verzichten möchte.

Ich frage mich manchmal auch, wie Herr Diekmann, der fast eine genauso bedeutende Rolle für die deutsche Presse spielt, wie Herr Wulff für den deutschen Staat, sein Auto und seinen letzten Urlaub finanziert hat? Ob Mercedes ihm nach dem Brand seines alten Wagens einen neuen gesponsort hat oder ob Bild-Chefredakteure Trauzeugen bei den Hochzeiten von Altbundeskanzlern sein dürfen?

Außerdem frage ich mich, ob ich heute nochmal richtig scheißen gehen kann, oder ob mein Magen weiter stur bleibt.

Love,
arafna

1 Kommentar:

  1. Sehr schön, mal darüber informiert worden zu sein. Was man als Normalsterblicher halt nicht so mitkriegt... allerdings weiß ich, dass du bestimmt noch scheißen kannst. bist ja in ner vertrauten umgebung, da klappt das :)

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